Gewöhnlicher Schweinswal – kleiner Wal in großer Gefahr
Schweinswale sind sehr scheu und nur selten an der Wasseroberfläche zu sehen. Strandspaziergänger an der Flensburger Förde oder der Westküste von Sylt sowie Segler in der Ostsee – etwa vor Fehmarn oder Rügen – können jedoch mit Glück bei ruhiger See ein Exemplar entdecken. Die Wahrscheinlichkeit sinkt jedoch, da der Schweinswal trotz internationaler Schutzmaßnahmen bedroht ist – die Ursachen sind ausnahmslos menschengemacht.
Merkmale
Schweinswale (Phocoenidae) gehören den Zahnwalen (Odontoceti) und der Familie der Delfinartigen (Delphinoidea) an. Letzteren sehen sie auch durchaus ähnlich, allerdings sind Schweinswale kleiner und gedrungener mit einer kurzen, abgerundeten – statt schnabelförmigen – Schnauze.
Es wird vermutet, dass Seefahrer früher den Schweinswal für ein Schwein hielten – und ihm so seinen Namen gaben. Eine Ursache dafür ist möglicherweise die dicke Fettschicht, die ihm dabei hilft, in kühleren Gewässern - seinem Lebensraum - seine Körpertemperatur konstant zu halten. Diese Fettschicht befindet sich unter einer glatten, gummiartigen und wasserabweisenden Haut, ist 25 bis 35 Millimeter dick – bei Jungtieren sogar 40 bis 60 Millimeter – und macht damit zwischen 20 und 50 Prozent seines Körpergewichts aus.
Der Schweinswal ist auch als Kleiner Tümmler bekannt und der kleinste Zahnwal. Das Weibchen wird etwa 1,60 Meter lang und bis zu 90 Kilogramm schwer, Männchen sind mit bis zu 1,45 Meter und maximal 60 Kilogramm kleiner und leichter. Von den drei Gattungen der Schweinswale mit insgesamt sieben Arten ist der Gewöhnliche Schweinswal (Phocoena phocoena) mit mehreren Unterarten auf der Nordhalbkugel zuhause. Die Unterart Phocoena phocoena phocoena ist die in Nord- und Ostsee heimische und damit in Deutschland vorkommende Art.
Die Oberseite des Körpers ist dunkelgrau bis bräunlich, die Unterseite hellgrau. Im Bereich der Kehle kann die Haut fast weiß sein, an den Flanken finden sich häufig große, graue Flecken. Die Kopfform ist eher rund mit einer flachen Stirn. Die Rückenfinne ist klein und dreieckig, die Brustflossen - die sogenannten Flipper - sind oval, klein und spitz zulaufend. Die etwa 50 Zentimeter breite Schwanzflosse dient der Fortbewegung im Meer. Vom Mundwinkel bis zum Ansatz der Flipper ist auf jeder Seite ein schmaler schwarzer Streifen zu sehen. Schweinswale sind meist nicht besonders schnell: Ihre normale Geschwindigkeit beträgt gemütliche fünf bis sieben Kilometer pro Stunde, sie können aber auch 23 Kilometer pro Stunde erreichen.
Lebensraum und Nahrung
Gewöhnliche Schweinswale bevorzugen kühlere Regionen wie den Nordatlantik und den Nordpazifik. Sie sind vor allem in der Nord- und Ostsee, den Übergangsgewässern des Skagerrak und Kattegats sowie im Schwarzen und Asowschen Meer zuhause. Die hohe See meiden sie normalerweise, stattdessen bevorzugen sie nahrungsreiche Buchten, Fjorde sowie Küsten- und Schelfgewässer und begnügen sich dabei mit Tauchgängen von maximal 200 Metern.
Kleine Tümmler folgen ihrer Beute und zeigen dabei ein ausgeprägtes, jahreszeitlich bedingtes Wanderverhalten, das sie manchmal auch weit in heimische Flüsse, z.B. Elbe, Weser oder Jade, hineinführt.
Auf ihrem Speiseplan stehen kleine bis mittelgroße Fische. In der Ostsee sind dies z.B. Heringe, Makrelen, Grundeln und Dorsche, in der Nordsee auch Sandaale und Seezungen. Diese verschlingen sie in einem Stück, ohne sie zu zerkauen, weswegen die Fische in der Regel nicht größer sind als 30 Zentimeter. Die Nahrung hängt aber von der Region und Verfügbarkeit ab, daher fressen Schweinswale ab und zu auch Tintenfische, Krebse oder Schnecken.
Sie haben einen sehr schnellen Stoffwechsel und müssen deswegen quasi pausenlos Nahrung aufnehmen – bis zu 500 Beutefische pro Tag, was in etwa zehn Prozent ihres Eigengewichts entspricht. Nur so können sie ihre Körpertemperatur im kalten Wasser halten; ohne Nahrung können sie wiederum nur wenige Tage überleben.
Lebensweise
Schweinswale sind meist als Einzelgänger oder Mutter-Kalb-Paar unterwegs. Bei der Orientierung, Jagd und Kommunikation mit ihren Artgenossen hilft ihnen - wie allen Zahnwalen - die Echolokation (auch: Biosonar). Im Bereich der Nasensäcke, unterhalb des Blaslochs, erzeugen sie hochfrequente Töne zwischen 110 und 150 Kilohertz und geben sie als Schallwellen ins Wasser ab; für Menschen, die nur maximal 20 Kilohertz wahrnehmen, sind diese nicht zu hören. Damit ist es Schweinswalen möglich, auch nachts oder im trüben Wasser Beutefische zu orten: Die Schallwellen werden von diesen als Echo zurückgeworfen. Das Echo wiederum nimmt der Schweinswal über seinen hohlen Unterkiefer wahr, der einen speziellen Fettkanal enthält und die Schallwellen an das Innenohr weiterleitet. Das Gehirn kann nun Art und Entfernung des georteten Objekts einschätzen. Für die Kommunikation mit Artgenossen nutzen sie akustische Signale nach demselben Prinzip, die sie über ihren ausgezeichneten Gehörsinn wahrnehmen – Fressfeinde wie der Schwertwal können dies nicht.
Fortpflanzung
Weibliche Schweinswale sind mit drei bis vier Jahren geschlechtsreif. Nach einer Tragzeit von zehn bis elf Monaten gebären sie ihr Kalb; bereits kurz nach der Geburt findet die nächste Paarung statt. Sie sind damit also praktisch durchgehend gleichzeitig tragend und säugend. Die Männchen wiederum verlassen die Weibchen nach der Paarung und ziehen allein weiter. Das Kalb erhält acht bis zwölf Monate lang eine sehr energiereiche Milch mit einem Fettgehalt von bis zu 50 Prozent. Parallel dazu beginnt es nach etwa fünf Monaten feste Nahrung zu fressen.
Studien haben gezeigt, dass neugeborene Schweinswale bereits 30 Stunden nach der Geburt auf Klicklaute genauso schnell reagieren wie erwachsene Tiere. Damit besitzen sie eine der schnellsten Gehörentwicklungen aller Säugetiere. So können sie jederzeit den Kontakt zur Mutter halten bzw. sie per Echolokation finden.
Zu den wichtigen Fortpflanzungsgebieten der Schweinswale in der Nord- und Ostsee gehören das Sylter Außenriff, der Fehmarnbelt sowie das Seegebiet zwischen den schwedischen Inseln Öland und Gotland.
Gefährdung und Gefahren
Viele Fressfeinde hat der Schweinswal in der deutschen Nord- und Ostsee nicht. Gemeinsam mit Seehunden und Kegelrobben steht er am oberen Ende der Nahrungskette. Wenn man das gesamte Verbreitungsgebiet des Schweinswals anschaut, können ihm jedoch Orcas und bestimmte Haiarten gefährlich werden. Sein größter Feind ist jedoch unbestritten der Mensch. Dieser ist dafür verantwortlich, dass die Bestände laut NABU in der zentralen Ostsee auf gerade mal 500 Tiere gesunken sind. Auch in der deutschen Nordsee gehen die Zahlen zurück; sogar im Naturschutzgebiet am Sylter Außenriff sind sie in den letzten Jahren um fast vier Prozent gesunken. Auf der deutschen Roten Liste gilt der Schweinswal deswegen seit 2020 als „stark gefährdet“.
Gründe gibt es viele. Zu den Hauptursachen gehören Schadstoffe, Fischernetze und Unterwasserlärm. Vor allem Lärm - z.B. durch Offshore Windparks, Schiffsverkehr oder militärische Sprengungen - kann das Innenohr des Schweinswals so schädigen, dass seine Echolokation nicht mehr funktioniert. So kann er nicht jagen, nicht kommunizieren und Gefahren wie Fischernetze nicht orten. Die Schadstoffbelastung, z.B. durch Chemikalien oder Schwermetalle, macht Schweinswale empfänglich für Infektionskrankheiten und senkt ihre Lebenserwartung deutlich. Während sie in arktischen und subarktischen Gewässern mindestens 20 Jahre alt werden können, sind es in der Nord- und Ostsee gerade mal vier bis sechs Jahre.
Intensive internationale Bemühungen zum Schutz des Schweinswals sind bisher erfolglos geblieben. Der Schweinswal ist u.a. durch das Bundesnaturschutzgesetz, die Bonner Konvention (CMS), das Abkommen ASCOBANS und das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) geschützt. Im Februar 2024 wurde außerdem ein internationales Übereinkommen der UN zum Erhalt wandernder Tierarten geschlossen, dass Notfallmaßnahmen und Verbote zum Schutz der Schweinswale in der Ostsee vorsieht.