Elche – sanfte Riesen zurück in Deutschland
Elche sind große, imposante Tiere, die viele Menschen am ehesten mit Ländern wie Schweden, Norwegen, Alaska oder Kanada verbinden. Doch seit einigen Jahren streifen immer mehr dieser sanften Riesen, aus Polen und Tschechien kommend, durch Deutschland – manch einer hat sich hierzulande sogar dauerhaft niedergelassen.
Merkmale und Nahrung
Elche (Alces alces) gehören zur Familie der Hirsche und sind dessen größte heute vorkommende Art. Besondere auffällig sind ihr braun-schwarzes Fell, die langen, dünnen Beine – im Kontrast zum massiven Rumpf – sowie der große, längliche Kopf mit Kehlbart.
Männliche Elche können eine Schulterhöhe von bis zu 2,30 Metern und ein Kopfrumpflänge von bis zu drei Metern erreichen. Dabei bringen sie ein Gewicht von rund 800 kg auf die Waage. Ihre weiblichen Artgenossen sind hingegen etwa ein Fünftel kleiner und tragen im Gegensatz zu den Bullen kein Geweih. Dieses ist bei den Männchen schaufelförmig und hat bei besonders großen Exemplaren eine Spannweite von zwei Metern. Ein beachtlicher Kopfschmuck, der zwischen 20 und 40 kg wiegt und während der Brunftzeit als Waffe eingesetzt wird. Um im Winter Energie zu sparen, entledigen sich Elche ihrem Geweih, indem sie es abwerfen. Erst im April beginnt es wieder von neuem zu wachsen.
Ein weiteres, ausgeprägtes und sehr nützliches Körperteil bei Elchen ist die übergroße Oberlippe, auch Muffel genannt. Die Muffel ermöglicht es den Säugetieren Zweige von Bäumen zu brechen und Rinden abzustreifen. Diese gehören neben Knospen und Trieben von Weichhölzern wie Birken, Pappeln, Kiefern oder Weiden zur Hauptnahrung der Elche. Zudem ernähren sich die Kolosse gerne von Wasserpflanzen. Dabei hilft ihnen, dass sie hervorragende Schwimmer (schaffen mehrere Kilometer pro Tag) und Taucher sind. Um an das natriumreiche Futter zu gelangen, tauchen sie bis auf den Fluss- oder Seeboden ab, schließen dabei ihre Nasenlöcher und grasen die Wasserpflanzen ab, bis sie wieder Luft holen müssen.
Lebensweise und -raum
Forscher schätzen, dass es weltweit rund 2,5 Millionen Elche gibt. Die meisten davon leben in Nordamerika, Skandinavien sowie in den nördlichen Gebieten Asiens und werden um die 15 Jahre alt. Sie bevorzugen lichte Wälder mit Brachflächen wie Sümpfen und Flussauen. Die Wohlfühltemperatur von Elchen liegt zwischen minus 20 und plus zehn Grad. Wird es Ihnen zu warm, ziehen sich die Elche, denen selbst minus 50 Grad nichts ausmachen, in höhere, kühlere Lagen zurück.
Elche sind die meiste Zeit ihres Lebens als Einzelgänger unterwegs, mit Ausnahme von gelegentlich losen Gruppenbildungen in den Wintermonaten sowie der Paarungszeit im September und Oktober. Um die passende Partnerin zu finden, wandern Elchbullen im Herbst bis zu 80 Kilometer am Tag und nehmen durchaus gefährliche Rivalenkämpfe in Kauf, um das relativ kurze Liebesspiel mit der „Dame der Wahl“ für sich zu entscheiden. Schwangere Elchkühe sind rund neun Monate trächtig und bringen ein bis zwei Junge zu Welt. Das Jungtier bleibt so lange bei der Mutter, bis sie es vor der Geburt ihres neuen Kalbs verstößt – ab dem Zeitpunkt ist es auf sich gestellt.
Zurück in Deutschland
Zur Freude vieler Tierschützer und Organisationen wie der Deutschen Wildtierstiftung und dem WWF, scheinen sich die Elche auch langsam wieder in Deutschland anzusiedeln. Mitte des 20. Jahrhunderts galten sie hierzulande noch als ausgestorben.
Die Tiere – oftmals Bullen – kommen auf der Suche nach einer Paarungspartnerin über die tschechische und vor allem die polnische Grenze nach Deutschland. Die steigende Anzahl an Sichtungen in Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg liegt nach Angaben des Nabu unter anderem an dem steigenden Elchbestand in Polen. Aufgrund des 2001 in Kraft getretenen Jagdverbots hat sich dort die Population der Großhirsche verdoppelt – von 2.000 auf 4.000 Exemplare.
Der erste Elch, der es hierzulande in die Nachrichten schaffte, war „Knutschi“. Der Bulle tauchte 2008 in der Nähe von Görlitz auf und wanderte bis nach Chemnitz, wo er im Frühjahr 2009 gesichtet wurde. Leider verstarb er im darauffolgenden Herbst auf ungeklärte Weise.
2018 sorgte dann Jungbulle „Bert“ für Schlagzeilen, als er plötzlich bei einer Kuhherde in Brandenburg auftauchte und die Herde für längere Zeit nicht mehr verließ. Den Berichten zufolge habe er sich damals in eine Kuh verliebt und sich als Leitbulle der weiblichen Herde gesehen. Bis heute kehrt er immer wieder in dieses Gebiet zurück und gilt als erster neuer in Deutschland sesshafter Elch. Für die Forschung ist der mittlerweile über sechs Jahre alte Bert enorm wichtig, da er seit Jahren ein GPS-Halsband trägt, mit dem seine Wanderrouten aufgezeichnet werden.
Doch gibt es in Deutschland überhaupt passende Gebiete für diese großen Säugetiere? Nach Angaben der Deutschen Wildtierstiftung auf jeden Fall. Die dünnbesiedelten Teile von Brandenburg, wo über die Jahre auch die meisten Elche gesichtet wurden, seien mit ihren Feuchtwiesen sowie den weitläufigen Moor- und Bruchwäldern ideal. Dies belegt auch eine Studie des Geographischen Instituts der Humboldt-Universität Berlin in Kooperation mit europäischen Partnern. Die Studie legt dar, dass besonders der Nordosten Deutschlands und das Mittelgebirge für die Elche einen geeigneten Lebensraum bieten.
Dass sich die Elche in Deutschland wohlfühlen, scheinen aktuelle Erkenntnisse zu bestätigen. Nach Angaben des WWF hat sich in Brandenburg eine erste Kolonie aus zehn bis 15 Tieren dauerhaft angesiedelt.
Gefahr
Aufgrund ihrer Größe habe Elche kaum natürliche Feinde. Braun- und Schwarzbären sowie Pumas und Wölfe können Ihnen zwar gefährlich werden (nicht in Deutschland), doch die größte Gefahr geht vom Menschen aus – genauer gesagt vom Auto. Auf ihren langen Wanderungen müssen die großen Pflanzenfresser nämlich immer wieder Schnellstraßen und Autobahnen überqueren, um neue Gebiete zu erreichen. Dies ist für die Tiere, aber auch für die Menschen, sehr gefährlich, da Elche bei Gefahr stehen bleiben und sich auch durch Hupen nicht verscheuchen lassen. Ein Zusammenprall kann tödliche Folgen für beide Seiten haben. Laut der Deutschen Wildtierstiftung kommt es etwa in Schweden jährlich zu 4.000 bis 5.000 Verkehrsunfällen. Dort leben jedoch auch 300.000 bis 400.000 Elche. Hierzulande ist diese Gefahr also noch schwindend gering, doch je mehr Elche nach Deutschland kommen, umso mehr Gedanken muss man sich über die möglichen Folgen für den Straßenverkehr machen.
Um die Rückkehr des Elches in Deutschland zu optimieren, wurde das deutsch-polnische Projekt "ŁośBonasus – Crossing!" ("Elch und Wisent – queren!") ins Leben gerufen. Bei dem Projekt werden auf polnischer und deutscher Seite Lebensraumanalysen und Überwachungen der Populationen durchgeführt, mit dem Ziel, das grenzüberschreitende Wildtiermanagement für Elche und Wisente zu verbessern. Beteiligt an dem Projekt sind die Humboldt-Universität zu Berlin, die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, der WWF sowie die polnische Naturschutzorganisation Westpommersche Naturgesellschaft.
Deutschland ist aktuell das westlichste Verbreitungsgebiet von Elchen in Europa und trägt laut WWF daher eine besondere Verantwortung für diese Art.